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AutorenbildAntje Braga

Aus dem Familien Logbuch - Lissabon in Farbe.


In der U-Bahn riecht es nach Popcorn, so ziemlich fast immer wenn man hinunterfährt in den Untergrund. Das zumindest hat sich nicht geändert in den letzten vier Jahren. So lang war ich nicht in der Stadt, nach der ich immer wieder dieses Sehnsuchtsgefühl (port. "saudade") verspüre. Es ist hipper geworden, voller irgendwie, mein Lissabon. Fesche Restaurants reihen sich neben den alt eingesessenen familienbetriebenen "Gaststätten" die so unscheinbar aussehen und dennoch oft das bessere traditionelle Essen servieren.

Diesmal ist alles ein bißchen anders. Wir reisen zu viert in Patchworkkonstellation und wohnen dank Freunden inmitten des trubeligen Bairro Altos.

Der Sohnemann fragt mich beim Kuscheln im Bett, wann wir wieder nach Leipzig fahren. Des Nachts, wenn wir vor Hitze und dem Lärm der Partymenge in den schmalen Gasse nicht schlafen können. Er vermisst zu Hause und ich ein bißchen die Zeit, in der ich mich allein und ohne die Bedürfnisse von drei weiteren Persönlichkeiten bewegen konnte.

Den Charme von Lissabon finde ich noch abseits der großen Touristenpfade in den Pastellarias, wo ein Teller voller Fisch, Salat und Tomatenreis noch sechs Euro kostet und die Kellner mit ihrem herben Humor und ernsten Gesichtern noch Anstand haben. Doch nicht alles ist anders. Der Geruch, die Farben,

die Geräusche, das Licht und die Ausblicke sind geblieben und langsam kommen wir alle in der Stadt an.

Früh morgens ist es ruhig im Bairro Alto und das Möwengeschrei ist unser Wecker. Die Bicas (Espressos) an den kleinen Kiosken geben uns den Kickstart in den Tag und wir geben uns dem Familienrhythmus hin. Oceanário, Museu Nacional de História Natural e da Ciência, Electrico 28 (Straßenbahn Nr.28) stehen auf dem Programm.

Ein Vormittag allein für mich und die Kamera reicht mir diesmal aus. Ich laufe durch die Straßen, zum unglaublich modern gewordenen Mercado da Ribeira. Außer die Gemüse- und Fischhalle erinnert mich hier nichts mehr an früher. Es ist chic, hip und riesig geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es so mag. Lang bleibe ich nicht, aber lang genug um mit einer alten Frau am Fischstand ins Gespräch zu kommen. Das ist für mich unglaublich, denn meine wenigen Brocken portugiesisch lassen sie vermuten, ich wäre aus Brasilien. Ich lache laut auf und erkläre ihr, woher ich komme und das mein brasilianischer Akzent vielleicht etwas mit meinem brasilianischen Ehemann zu tun hat. Es ist herzerwärmend wie wir versuchen miteinander zu reden und ich mich traue zu sprechen, wohlwissend meine Sätze können sich grammatikalisch gar nicht sehen lassen. Es ist egal, was zählt ist der Versuch und ein paar Minuten ungeteilte Freude mit dieser alten Frau vom Fischstand.

Das schönste aber ist, die Familie wieder zu sehen, Freunde zu treffen. Wer uns kennt weiß, dass mein Mann ein paar seiner Wurzeln in Portugal hat. Wir genießen Zeit zusammen, gutes Essen, Wein und ich bemerke, dass ich immer mehr auch den Gesprächen folgen kann. Ich fühle mich mehr und mehr auch als Teil dieser Familie, die ich noch vor ein paar Jahren überhaupt nicht verstehen konnte.

Es gibt einen Moment, wo mir klar wird, was ich ganz besonders an den Zusammenkünften hier mag: Bei einem dieser Familienessen stupst mich mein Sohn an und sagt: "Mama, die sprechen hier alle so laut...". Ich schaue ihn an und sage, "ja, stimmt". Alle stehen, sitzen, reden, trinken, essen, lachen fröhlich um den Tisch herum. Essen gleicht hier eher einem Prozess der von einem Gang zum nächsten fließend übergeht. Zwischendrin ist das laute Gewusel aller Stimmen, das Lachen, Schmatzen und sich über das Essen und Beieinandersein freuen. Es wird gegessen bis man umfallen mag - und das darf man dann auch, auf der Couch. Füße hoch, weiter schnattern, nebenbei schläft ein anderer ein und schnarcht, die Kinder wuseln herum. Nach einer Weile wird der "Cafezinho" im Café um die Ecke eingenommen und ein kleiner Spaziergang hinten dran gehängt. Alles dauert etwas länger, alles ist ein bißchen chaotisch. Alles ist einfach nur portugiesisch schön.

Wir verlassen Lissabon nach einer Woche. Mit vollen Mägen und genug Stadt in unserem Tank. Es geht weiter zum ruhigen Teil unserer Familienauszeit. Davon berichte ich bald. Ein bisschen musst Du noch warten, ganz im portugiesischem Stil, "immer mit der Ruhe".


Deine Antje



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